Internationale Ölkonzerne investieren in Wasserstoff – ein grundsätzlich unwirtschaftlicher Energieträger. Staatliche Lenkung macht Investitionen dennoch sinnvoll. Denn die Konzerne erhalten finanzielle Zuschüsse. Aber auch in strategischer Hinsicht können sich Investitionen rechnen. Aufgrund zunehmender Elektromobilität verlieren Ölkonzerne kontinuierlich Marktanteile. Die Sicherung einer starken Stellung bei alternativen Wasserstoffantrieben ist ein Weg, sich gegen Stromkonzerne bei der „Betankung“ von Fahrzeugen zu behaupten.
Ölkonzerne investieren in Wasserstoffprojekte
In ganz Deutschland schießen Wasserstoffprojekte wie Pilze aus dem Boden. Und deutsche Ableger internationaler Ölkonzerne mischen kräftig mit. Shell Deutschland verkündete im September 2020, es wolle bis zum Jahr 2030 zum führenden deutschen Anbieter von grünem Wasserstoff werden. Shell sieht Deutschland als Schlüsselmarkt. Das Unternehmen möchte sogar bis 2050 zu einem Netto-Null-Emissions-Energieunternehmen werden. BP Deutschland gab im März 2021 bekannt, dass es dem Bau einer Wasserstoffproduktionsstätte im norddeutschen Lingen näher gekommen ist, die mit Strom aus einem Offshore-Windpark von Ørsted beliefert werden soll. Ørsted ist wiederum ein dänisches Ölunternehmen, das sich strategisch den erneuerbaren Energien verschrieben hat. Mittlerweile ist es ein international führender Betreiber von Offshore-Windparks. Letztendlich ist die Liste der Ölkonzerne, die in Wasserstoff investieren, lang, darunter auch Eni aus Italien, Orlen aus Polen, Neste Oil aus Finnland.
Wasserstofftechnik nicht wirtschaftlich
Die Wasserstofftechnik hat sich im Zeitalter der Industrialisierung nicht durchgesetzt, weil sie zu unwirtschaftlich war. Denn bei der Umwandlung von Strom zu Wasserstoff gehen rund 30 Prozent der Energie verloren. Der deutsche Ingenieurwissenschaftler und Professor für regenerative Energiesysteme Volker Quaschning sagte, „Wir werden einen gigantischen Strombedarf haben, wenn wir das Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzen wollen. Den können wir in Europa wahrscheinlich gar nicht decken, es gibt auch kein Land, was hier auf dem Weg ist, dass wir jetzt in wenigen Jahren große Überschussmengen an grünem Strom und damit auch dann Möglichkeiten für grünen Wasserstoff haben werden.“
Investitionen aufgrund staatlicher Lenkung
Der deutsche Staat hat sich selbst zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Es wurde sogar eine gesetzliche Selbstverpflichtung durch das Bundes-Klimaschutzgesetz begründet. Teil der Klimastrategie der Bundesregierung ist die Nationale Wasserstoffstrategie. Sie sieht auch die finanzielle Förderung von deutschen Unternehmen vor, damit diese überhaupt in den Energieträger Wasserstoff investieren. Im Jahr 2021 gab die Bundesregierung ein vorläufiges Investitionsvolumen von acht Milliarden Euro in den Wasserstoffsektor bekannt. Getragen die staatlichen Finanzierungen von düsteren Zukunftsprognosen. Es wird gewarnt vor Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Starkregen, Hochwasser, Dürren und tropischen Wirbelstürmen, vor einem Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 1,1 Meter und vor Erdrutschen, Lawinen und Fluten, welche die menschlichen Existenzgrundlagen bedrohen könnten.
Elektrifizierung des Verkehrs aufhalten?
Investitionen in unwirtschaftlichen Wasserstoff werden also aus Unternehmenssicht wirtschaftlich, wenn der Staat entsprechende Rahmenbedingungen schafft. Unter vorgehaltener Hand wird jedoh gemunkelt, es gäbe noch andere Gründe, weshalb Big Oil in Wasserstoff investiert. Aufgrund des politischen Ziels, Verbrennermotoren schrittweise von den Straßen zurückzudrängen, gab es einen Boom bei Elektrofahrzeugen. Problem: Das „Auftanken“ erfolgt dezentral und kann praktisch an jeder Steckdose erfolgen. Die Stromlieferung erfolgt aber durch einen anderen Wirtschaftszweig – der Ölindustrie droht ein massiver Verlust von Marktanteilen. Für Wasserstoff-Pkw wiederum sind Tankstellen erforderlich, die von der Ölindustrie betrieben werden. Alleine Shell hat weltweit über 44.000 Tankstellen. Das sind mehr, als es McDonald’s-Filialen gibt.
FAQ
Was ist grüner, blauer, grauer und türkiser Wasserstoff?
Grüner Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energien wie Wind oder Sonne gewonnen. Blauer Wasserstoff wird aus Erdgas hergestellt; das Wirtschaftsministerium labelt ihn dennoch als CO2-neutral, wenn das CO2 in unterirdischen Lagerstätten aufgefangen wird und deshalb zumindest vorerst nicht in die Atmosphäre gelangt. Grauer Wasserstoff wird ebenfalls aus Erdgas hergestellt, jedoch ohne unterirdische Lagerung des CO2. Türkiser Wasserstoff wiederum wird durch thermische Spaltung von Methan hergestellt; dabei fällt kein CO2 als Nebenprodukt an, sondern Kohlenstoff, der wiederum industriell weiterverarbeitet werden kann, etwa für die Batterieherstellung.
Wie wird Wasserstoff flüssig gemacht?
Ist Wasserstoff aus Windenergie wirtschaftlich?